Kerner

Der Arzt und Dichter Justinus Kerner (1786-1862), der übrigens mit 12 Jahren von Gmelin mittels Magnetismus von einem nervösen Leiden befreit worden war, ist ein prominenter Vertreter des "mystischen" Magnetismus. Zwar haben schon die Patienten und Patientinnen Böckmanns und Wienholts hellseherisch ihre eigene Medizin und den Zeitpunkt ihrer Genesung bestimmt, aber erst der mystische Magnetismus verlagerte das Interesse am Mesmerismus von der medizinischen Bedeutsamkeit hin zu spektakulären Effekten nahm die Berichte von magnetisierten Personen ernst, die über Kontakte mit verstorbenen Personen bzw. spirituellen Wesen oder Reisen zum Himmel berichteten, künftige Ereignisse vorhersagten oder über Gegenstände Briefe etc. berichten konnten, die sie (scheinbar) nicht zu Gesicht bekommen hatten.
Kerner, der Arzt in Weinsberg/Württemberg war und durchaus naturwissenschaftlich denken konnte (er entdeckte eine Form der Nahrungsmittelvergiftung (Botulismus), die er im Tierexperiment experimentell untersuchte), wurde inbesondere durch die spektakuläre Behandlung seiner Patientin Friederike Hauffe bekannt, die als "Seherin von Prevorst" Berühmtheit erlangte 1). "Friederike Hauffe, die Tochter eines Wildhüters, war im Dorf Prevorst in Württemberg zur Welt gekommen. Sie war eine ungebildete Person und hatte nur die Bibel und ein Gesangbuch gelesen. Schon als Kind hatte sie Visionen und Vorahnungen.

Als sie 19 Jahre alt war, wurde sie von ihren Eltern mit einem Mann verlobt, den sie nicht liebte. Am gleichen Tag wurde ein Prediger begraben, den sie sehr bewundert hatte. Während des Begräbnisgottesdienstes "starb sie für die sichtbare Welt" und ihr "inneres Leben" begann. Kurz nach ihrer Hochzeit wurde Friederike krank; sie bildete sich ein, sie liege mit der Leiche des Predigers im Bett. Sie trat in eine Reihe von "magnetischen Kreisen" ein, während ihre physische Krankheit immer schlimmer wurde: Sie litt an Krämpfen, Katalepsien, Blutungen und Fieber, gegen die weder Ärzte noch Heilpraktiker ein Heilmittel konnten. Schließlich wurde sie zu Kerner gebracht, abgezehrt, totenblaß, mit glänzenden Augen, den Kopf in ein weisses Tuch gebunden wie eine Nonne. Kerner versuchte zunächst, sie mit herkömmlichen medizinischen Heilmethoden zu behandeln, bemerkte aber, daß jedes Medikament, das er ihr gab, selbst in der schwächsten Dosierung genau das Gegenteil der erwarteten Reaktion hervorrief. Nun nahm er seine Zuflucht zu "magnetischen Streichen", worauf sich der Zustand der Patientin allmählich besserte (Ellenberger, 1973, p.128f) 2)."
Friederike Hauffe beeindruckte ihre Umgebung durch verschiedene Fähigkeiten. Sie empfing Botschaften von Geistern, sah die Zukunft voraus, konnte Objekte bewegen ohne sie zu berühren, sprach fließend eine "Ursprache" etc. Die Veröffentlichung ihrer Fallgeschichte durch Kerner stieß in Deutschland auf außergewöhnlich großes Interesse. Viele Menschen besuchten Schweinsberg, darunter so prominente Philosophen wie Görres, Schelling und Eschenmayer, und zeigten sich von der Patientin tief beeindruckt.

Literatur:
1) Kerner, J. (1829). Die Seherin von Prevorst. Eröffnungen über das innere Leben und über das Hineinragen einer Geisterwelt in die unsere. Stuttgart: Cotta.
2) Ellenberger, H.F. (1973). Die Entdeckung des Unbewußten. Bern: Huber