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Trancetänze bei den !Kung (Buschmännern) der Kalahari.

„The Painful Ecstasy of Healing“
Zum Erreichen einer Heilungstrance müssen die Heiler der !Kung N/UM aktivieren, eine hochpotente Energie, mit der zwar die „Krankheiten des Himmels“ behandelt werden können, die aber beim Heiler starke Schmerzen verursacht.

In traditionellen Kulturen geht häufig der Behandler (Schamane, Heiler) in Trance und nicht der Patient, so etwa bei den sibirischen Schamanen (Smoljak, 1998), bei den Yanomami in Südamerika (Bongartz & Bongartz, 2000), den Magar in Nepal (Oppitz, 1981 ) oder den Iban auf Borneo (Bongartz & Bongartz, 1989). Das lässt sich auch bei den !Kung*), den Buschmännern in der Kalahari/Botswana beobachten, deren Weg in die Trance allerdings ein besonderer ist, für den sie eine spezielle Form von Energie benötigen: N/UM*).

 

Heilungsrituale finden bei den !Kung, den Buschmännern der Kalahari im Rahmen eines Heilungstanzes statt, dem häufigsten Ritual der !Kung, das manchmal mehrmals innerhalb einer Woche ausgeführt wird (Marshall, 1999). Mit Hilfe von Tanz und dem Gesang der Frauen, der von rhythmischem Händeklatschen begleitet ist, wird dabei N/UM, eine extrem starke Energie am unteren Ende der Wirbelsäule sowie in der Magengrube der Heilers aktiviert („aufgekocht“), die über die Wirbelsäule hoch bis in den Kopf des Heilers steigt. Dort verursacht sie einen Trancezustand (!kia), der den Heiler in die Lage versetzt, zu heilen. Die Heilung geschieht durch Auflegen der Hände (z.B. auf der Brust und auf dem Rücken),wodurch die Heilungsenergie N/UM auf den Kranken übertragen wird (Katz, 1978). In diesem veränderten Bewußseinszustand kann der Heiler auch in die „andere Welt“ gelangen, indem er mit Hilfe von Schnüren, die vom Himmel herabhängen, hoch in den Himmel klettert und sich dort, wenn es sich um einen mächtigen Heiler handelt, sogar mit dem obersten Gott („≠Gao N!a“*)) auseinandersetzen (um etwas bitten, sich beschweren oder „≠Gao N!a“ gar beleidigen).

Die !Kung kennen zwei Arten von Krankheiten. Zum einen sind dies „alltägliche“ Beschwerden wie Wunden, Verbrennungen oder Vergiftungen (Schlangen) wie sie bei der Jagd oder dem Sammeln von pflanzlicher Nahrung auftreten. Diese werden u.a. mittels Heilpflanzen und besonders zubereiteten Salben behandelt. Zum anderen sind dies „Krankheiten des Himmels“, die vom obersten Gott über Sendboten (//gauwasi) insbesondere während des Heilungstanzes gebracht werden.
Heilungstänze, an dem alle Mitglieder einer !Kung-Gruppe (Kindern, Frauen, Männer) teilnehmen und zu denen auch Mitglieder anderer !Kung-Gruppen willkommen sind, beginnen bei Sonnenuntergang und dauern bis zum Sonnenaufgang, können aber auch weiter gehen. Die Frauen sitzen mit den Kindern um ein Feuer. Sie klatschen rhythmisch mit den Händen und singen besondere N/UM-Lieder, die helfen, das N/UM der Heiler zu aktivieren, während die Männer, von denen einige Heiler sind, mit Rasselschnüren an den Beinen im Kreis um die Frauen tanzen (ein Stampftanz, bei dem sich eine einfache Schrittfolge immer wiederholt). Nach etwa 2 Stunden beginnen die Heiler in Trance zu fallen. Vereinzelt können auch Frauen in Trance fallen, die dann für eine gewisse Zeit am Tanz der Männer teilnehmen. 
In der ersten Phase der Trance ist der Heiler noch nach außen orientiert, singt mit den Frauen N/UM-Lieder und kann sich ohne Unterstützung auf den Beinen halten. Sie scheinen dabei von inneren Erfahrungen absorbiert zu sein, sind sich aber der Umwelt durchaus bewusst. Dann kann es geschehen, dass ein Heiler vom N/UM überwältigt zu Boden stürzt, dort einige Minuten regungslos liegen bleibt. Nach dem Aufstehen wagen sich besonders furchtlose Heiler mit starkem N/UM vom Feuer in die Dunkelheit hinein, um dort die „//gawasi“, die Boten des Todes zu vertreiben. Andere beginnen dann zu heilen, wobei sie die Heilung mit lautem Schreien und Rufen begleiten. Danach wird ein Heiler sich wieder in den Tanzkreis begeben und nach einer Weile zu einer anderen Person gehen. In diesem Stadium der Trance erlebt der Heiler auch starke Schmerzen, die bei weiterer Vertiefung der Trance fast unerträglich werden. Dazu kommen Halluzinationen mit räumlicher Desorientierung; er fällt in ein Feuer und bliebe dort liegen, wenn er nicht von Helfern herausgezogen würde, die ihn beim Gehen unterstützen müssen. Frauen werfen „San“-Puder auf ihn, um damit das Übermaß an N/UM im Heiler zu verringern.
Bei den Heilungstänzen der !Kung werden nicht nur Kranke behandelt (z.B. mit einem Emphysem oder mit Depression; Katz, 1978), sondern auch Prophylaxe betrieben, um Gesunde vor künftigen Erkrankungsgefahren zu schützen. Heilungstänze können aber auch ausgeführt zu werden, um psychische Belastungen der Gruppe zu verarbeiten, z.B. nach einer missglückten Jagd oder um nach einer Scheidung eines Paares die Mitglieder der Gruppe wieder zu vereinen und die Gruppenkohäsion zu optimieren.

*) Die Zeichen „!“, „/“, „≠“ stehen für die Schnalzlaute, die die !Kung in Ihrer Sprache verwenden. Das „!“ entspricht etwa dem Laut, der verwendet wird, um das Geräusch von Pferdehufen nachzuahmen.

 

Literatur:

Bongartz, B. & Bongartz, W. (1989). "Nyangkap Semengat" or How to Capture the Souls: Trance as Done by the Shamans of the Iban District in North Borneo. Swedish Journal of Hypnosis, 16, 108-111.

Bongartz, W. & Bongartz, B. (2000). Hypnosetherapie. Göttingen: Hogrefe (2. Auflage)

Katz, R. (1978). The painful ecstasy of healing. Psychology Today, December, 81-86.

Marshall, L. J. (1999). Nyae Nyae !Kung beliefs and rites. Cambridge: Harvard University.

Oppitz, Michael: Schamanen im Blinden Land. Ein Bilderbuch aus dem Himalaya. Frankfurt am Main : Syndikat Verlag, 1981.

Smoljak, A. (1998). Der Schamane. Persönlichkeit, Funktionen, Weltanschauung. Berlin: Reinhold Schletzer.

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