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Rituelles Inkorporieren von Hilfsgeistern bei den Yanomamis

Weltweit findet man in traditionellen Kulturen die gelebte Praxis, sich von einem Schutzgeist, Totemtier oder Ahnen begleitet zu erfahren. Die Beziehung zu diesen spirituellen Wesen geben Schutz, Tröstung oder Unterstützung im Alltag. Dabei scheint es sich um ein grundlegendes menschliches Erfahrungsmuster zu handeln, das sich auch heute noch in der modernen Gesellschaft wiederfinden lässt. Kinder, die unter bedrohlichen Umständen leben oder sich langweilen, „erfinden“ sich imaginäre Freunde oder Begleiter, mit denen sie in lebhaftem sozialen Austausch stehen und die ihnen etwa die Erfahrung von Schutz oder Geborgenheit vermitteln. Und dies können Kindern einfach so; sie müssen es nicht lernen.

Bezüglich des Umgangs mit Schutzgeistern etc. kann davon ausgegangen werden, dass echte emotionale Erfahrungen auftreten wie sie beim Umgang mit realen Personen erlebt werden. Dies legen auch hirnphysiologische Untersuchungen zu spirituellen Erlebnissen nahe. Kapogiannis et al. (2009) konnten mit funktioneller Magnetresonanztomographie zeigen, dass bei gläubigen Versuchspersonen die emotional-religiöse Erfahrung Gottes die gleichen hirnanatomischen Regionen aktiviert wie die soziale Interaktion mit realen Personen.

 

Im Laufe ihrer Ausbildung werden den Schamanennovizen der Yanomamis, einem Stamm von Waldindianern im Grenzgebiet zwischen Venezuela und Brasilien, Hilfsgeister (Hekura) mitgegeben. Die Vermittlung der Hekura geschieht in einem komplexen Ritual, in dem die Novizen plastisch erleben, dass die Hekura in ihre Brust eingepflanzt werden, die Hekura also in ihrem Körper beheimatet sind und sie von nun ab immer begleiten. Zunächst nehmen Schüler und Schamane eine halluzinogene Droge zu sich (Yopo), die ihnen in die Nase geblasen wird und sie in eine Trance mit entsprechenden Halluzinationen versetzt.

Nachdem der Schamanennovize in Trance geraten ist, werden ihm verschiedene Hilfsgeister in die Brust eingesetzt, was über symbolische Speerstiche, symbolisches Hineinkriechen der Geister oder Einsetzen mit der Hand geschieht (s. Abbildungen/ Eibl-Eibesfeldt & Herzog, 1987). Um das Inkorporieren der Hilfsgeister zu einer möglichst realen Erfahrung zu machen, stellt der Schamane die einzelnen Hekura lautmalerisch und durch Bewegungen dar, die dann in den drogeninduzierten Visionen des Novizen zu „wahren“ Ereignissen werden.

Auch in der Hypnotherapie wird mit sogenannten „hypnotischen Begleitern“ gearbeitet, wenn der Patient nur schwer Zugang zu eigenen positiven emotionalen Erfahrungen hat (Bongartz & Bongartz, 2000, 248ff). Dies geschieht auch in Trance, allerdings in der hypnotischen und nicht in einer drogeninduzierten. Übrigens konnten meine Frau und ich selbst erfahren, dass auch Yanomamis auf eine Tranceinduktion mit Hypnose ansprechen (Bericht, erstes Bild von rechts).

 

Literatur

Bongartz, W. & Bongartz, B. (2000).Hypnosetherapie. Göttingen: Hogrefe.

Eibl-Eibesfeldt, I. & Herzog, H. (1987). Yanomami, Patanoetheri (Venezuela, Oberer Oriniko) – Yopo-Rausch, Tanz und Geisterbeschwörung (Hukeramou) zur Initiation eines Medizinmann-Anwärters (Teil III). Encyclopedia Cinematographica. Göttingen: IWF.

Kapogiannis, D.; Barbey, A.K.; Su, M.; Zamboni, G.; Krueger, F. & Grafman, J. (2009). Cognitive and neural foundations of religious belief. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 106, 4876 – 4881.

Marjorie,T.; Shawber, A.B. & Mannering, A.M. (2009). Children’s imaginary companions: What is it like to have an invisible friend. In: Handbook of imagination and mental simulation. Markman, K.D.; Klein, W.M.P.; Suhr, J.A. (Hrsg.) New York: Psychology Press, pp. 211-224.

 

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